Die Poesie des Betons

Ende der 1960er-Jahren putzte sich München für die Olympischen Spiele heraus. Weltstadt mit Herz war das Ziel. „München wird modern“, las man auf den Werbeschildern der Großbaustellen. Allerdings erfuhr dieser Slogan bald eine kleine Abwandlung zu „München wird moderner“. Denn, was den Werbestrategen offensichtlich entgangen war, durch die Verschiebung der Betonung beim Wort m o d e r n auf seine erste Silbe, könnte die Stadt München wohl bald auch ins Stadium der Fäulnis übergehen und damit beginnen zu mo-dern. Das unbestrittene Material dieser Moderne ist der Beton. Alltäglich – und dennoch in der Kunst heute (noch) eher selten zu finden.
Als jemand, der Beton in der Kunst verwendet, nutze ich die Gelegenheit, Sie mit in diese Betonwelt zu nehmen.

BETON-UNG
Aufgrund seiner ungünstigen Klimabilanz heute zwar keinesfalls mehr unumstritten, ist Beton als Baumaterial weiterhin aus der Architektur nicht wegzudenken. Wie diese „Mo-derne“ insgesamt, hält auch der Beton selbst diverse Ambivalenzen bereit. Einerseits eine schnelle und kostengünstige Herstellung, extrem hohe Druckfestigkeit und, in Verbindung mit Stahl, ein hohe Zugfestigkeit – ideal für große Spannweiten. Dazu scheinbar unverwüstlich. Und, was den Beton auch für die Kunst spannend macht, dieses Material ist beliebig formbar. Die Kehrseite: Heute blicken wir längst mit anderen Augen nicht nur auf den an vielen Stellen so unsäglichen Städtebau der Nachkriegsmoderne. Auch die Energie- und CO2-Bilanz des Betons gibt der Bauindustrie zu denken (Abb. „Graue Energie“). Und wenn man ihn als scheinbar übriggebliebenes Einzelstück neben Gartenzwerg-Arrangements noch findet, so ist selbst der Waschbeton mit seiner kieseligen Erscheinung heute weitgehend verschwunden. Ob als Blumenkübel, ob als Gehwegplatte, Sitzbank oder Gebäudefassade gehörte dieser nachbearbeitete Beton einst zur klassischen Möblierung der Fußgängerzone. Und auch so mancher „Betonklotz“, auch der Beton-Brutalismus, bis hin zum Betonkopf sind alltagssprachlich allesamt negativ konnotiert. Neben seiner sprichwörtlichen Härte ist Beton in der allgemeinen Wahrnehmung zudem grau, kalt und unansehnlich.
Und so entzieht sich Beton oft vorsorglich dem öffentlichen Ansehen. Bereits ab der auch von mir durchaus geschätzten Postmoderne (z.B. Neue Staatsgalerie Stuttgart, James Sterling, 1984) verschwindet er auch heute weitgehend hinter vorgehängten Fassaden; gerne aus Naturstein. Im Wohnungsbau evozierte eine falschverstandene Postmoderne kleine Applikationen, wie den Mini-Säulenportikus aus Beton zur Hervorhebung des Eingangs, meist dann mit Dispersion überstrichen, oder gerne auch den „angeklebten“ Erker zur Auflockerung der Einheitsansicht. Kann man natürlich machen, muss man aber nicht.

„Kommentar zur falschverstandenen Postmoderne“; Beton, Ton, Dispersion

Auch wenn seine Erscheinung in der Regel heute noch oft so abgewandelt wird, dass er sich nicht mehr auf den ersten Blick als solcher zu erkennen gibt, scheint sich beim Beton ein neuerlicher Umbruch anzukündigen. So etwa bei Architekturen, bei denen sich Beton inzwischen wieder selbstbewusst zumeist im Innenraum in edlen Materialkombinationen zeigt. Im Zuge von computergenerierten Formen in der Architektur, Weiterentwicklungen im Schalungsbau, oder auch mit Bewehrungsmatten aus Kohlefaser werden heute, anknüpfend an die plastische Architektur des Schweizers Le Corbusiers (Ronchamp, 1955) oder an die Schalendachkonstruktionen (u.a. Bauingenieur Ulrich Müther, Rostock-Warnemünde, 1968), wieder organisch fließende Formen erzeugt, in zum Teil erstaunlich dünnen Wandstärken. Auch diese Fortschritte und technischen Neuerungen werden ihre Auswirkungen in der Beton-Kunst erst noch zeigen.

  „Übergangen“ u. „Das Auge Gottes“; (Beton-)Fotografie

Beton war modern. Und er umgibt uns weiterhin. In Wänden und Decken, mit Unmengen an Betonknochensteinen und sonstigem Pflastermaterial unter unseren Füßen, oder als Rand-Stein. Beton ist heute ein Massenphänomen und gleichzeitig eine Rand-Notiz. Übergangen.
Gerade in seiner Alltäglichkeit wird er zu einem übersehenen Material. Wenig interessant, wenig sinnlich. Und damit auch in der Kunst ein wenig wertgeschätzter Stoff. Zu Unrecht. Es gilt auch hier, die Beton-ung zu verschieben. Jenseits des Shabby-chic im Industrieloft scheint sich mit den technischen Fortschritten, neuaufkommenden Formen und edlen Materialkombinationen gerade etwas am Image des Betons zu ändern. Und das gilt auch für die Kunst.

KUNST.STEIN.

Beton kennen wir zunächst als Baumaterial. Ein künstlich erzeugter Stein.
Im Zuge der Industrialisierung wuchsen allenthalben die Bedarfe und es kommt so auch zur „Wiederentdeckung“ von hydraulischen Baustoffen, zu deren wissenschaftlich gestützten Verbesserungen und zu deren industrieller Produktion. Im Zentrum der Entwicklung steht hier der Zement. So wurde 1838 vom Apotheker Gustav Ernst Leube in Ulm das erste deutsche Zementwerk gegründet. Und Ulm gilt bald als Zentrum der deutschen Kunststeinherstellung. Zuvor ein englisches Patent für die Herstellung eines „Artifical Stone“ (1824) mittels eines ersten („Roman“-) Zements. Dessen Weiterentwicklung, bei der das Ausgangsmaterial Kalkstein bis zur Sinterung gebrannt wird, führte wiederum ab 1844 zum bis heute in aller Regel verwendeten Portland-Zement. Das Bindemittel des heutigen Betons.

Der Ursprung des Betons geht allerdings auf die Römer zurück. Mit dem schönen Begriff „opus caementitium“ bezeichneten sie die Weiterentwicklung eines Gussmauerwerks aus gebranntem Kalk und Bruchsteinen, das mit Puzzolanerde versetzt zum hydraulischen Werkstoff wird. Dieser ist dann nicht nur unempfindlich gegenüber Wasser, sondern härtet selbst Unterwasser aus. Dieser römische Beton ermöglicht ab dem 2. Jh. v. Chr. ein äußerst effektives Bauen – nicht unwesentlich für ein Weltreich. Der Architekturtheoretiker Vitruv beschreibt um 20 v. Chr. in seinem 10-bändigen Werk „De architectura“ ausführlich diese Technik. Der Beton verschwindet auch bei den Römern meist als Füllmaterial zwischen zwei Mauerwerksschalen, so etwa in Kolossalbauten wie dem Kolosseum, findet Verwendung beim Wasserbau, in Hafenanlagen oder Wasser- und Abwasserbauten. Oder er tritt, quasi als Sichtbeton, in äußerst imposante Erscheinung. So beim Pantheon in Rom (118 n.Chr.), dessen kassettierte Kuppel über einer Holzschalung gegossen wurde. Mit gut 44m Spannweite hielt dieses Bauwerk bis zur Errichtung der Jahrhunderthalle in Breslau (1913) den Weltrekord für eine Betonkuppel. Und dieser unbewehrte Beton in Rom hält bis heute!
Auch wenn den Römer die chemischen und physikalischen Hintergründe noch unklar bleiben mussten, nutzten sie bereits sehr gezielt die speziellen Materialeigenschaften dieses hydraulischen Baumaterials. Allerdings geriet dieser erste Beton, wie so manche Kulturtechnik der Römer, über die nächsten Jahrhunderte wieder in Vergessenheit.

   

„Baumhaus des Vitruv“, Weißbeton, Olivenholz;  „Betonmalerei“, Keilrahmen, Beton eingefärbt

KUNST.STEIN.KUNST

Der „Kunststein“ war dann ab dem Historismus, neben Skelettbauweise oder Betondecken im Wohnungsbau, vor allem das Material für die überreichen Bauornamente, Gesimse und Giebel, bis hin zu vollplastischem Figurenschmuck auch für Gärten und Parkanlagen. Im Vergleich zur handwerklich gearbeiteten Sandsteinsteinskulptur des Adels war die gegossene oder gepresste Serienproduktion nun auch für das Bürgerhaus bezahlbar. Und dabei meist sogar haltbarer. Beton gestockt, scharriert oder geschliffen. Abgüsse, Terrazzoböden, Vorsatzbeton auch als Plattenmaterial. Alles Produkte und Anwendungen, die die Vielfalt der Betontechniken und Bearbeitungen zeigen. Ansätze und Kenntnisse die auch in meine künstlerische Arbeit einfließen.
Schaut man in die Kunst der Moderne, so findet man das Material Beton in logischer Konsequenz, parallel zur Entwicklung von Architektur und Städtebau vor allem bei der Kunst am Bau. Etwa Fritz Wotruba, O.H.Hajek oder Erich Hauser arbeiteten hier eng mit den Architekten zusammen und schufen in den 1950er bis 1970er Jahren großflächige Reliefs als Betonfassaden. Auch zur Gestaltung im öffentlichen Raum der Städte nimmt Beton dann gern monumentale Maße an – aufgrund seiner Festigkeit ein durchaus materialgerechter Einsatz. Etwa bei Mathias Goeritz „Platz der fünf Türme“ (Mexico-City, 1957), fünf dreieckige Prismen, die dann schon mal zwischen 33 und 55m Höhe erreichen, oder Danny Caravan, der in der Neguev-Wüste in Israel auf einer Grundfläche von 100 x 100 Metern seine Formen zu einem „Gefallenen-Ehrenmal der Neguev-Brigade“ (1968) ausbreitet. In allen Fällen verschwimmen die Grenzen zwischen Skulptur und Architektur.
Etwas geringere Ausmaße, dafür Beton mit Interaktion finden wir bei Niki de Saint Phalles „Monster“, das über seine drei Zungen die Kinder in Jerusalem zum Rutschen einlädt. Claes Oldenburg stellt 1977 seine drei „Giant Pool Balls“, mit einem Durchmesser von 3,5 Meter am Aasee in Münster auf – bis heute ein Wahrzeichen der westfälischen Großstadt.
Eine andere, aber oft verfolgte Intention finden wir beispielsweise auch bei Jean Arp, der den Beton wesentlich dazu nutzt, seine bei ihm in der Regel in Gips ausgeführten Arbeiten nun für den Außenraum „haltbar“ zu machen – die Folge sind Abgüsse in Beton. Und natürlich hat auch Picasso dieses Material ausprobiert. Seine Papp-Modelle haben dann – wie auch bei anderen Künstlern üblich – Ingenieure und Baufachleute in die große Dimension umgesetzt. Bei Picassos rund 20 Betonskulpturen kommt dann auch die Betongravur zum Einsatz, bei der die gezeichneten Elemente mittels Sandstrahlen auf den Beton übertragen werden.
In der Gegenwartskunst bleibt Beton überraschend selten. Am bekanntesten vielleicht Hubert Kiecol, der Architekturelemente wie Treppen oder Häuser miniaturisiert und eine eigenständige Formensprache entwickelt, die über ihre Umsetzung in Beton den Rückschluss zur Architektur verstärkt. Isa Genzken nutzt das Material eher assoziativ, ohne die Form zu etwas konkret Erkennbarem werden zu lassen, schafft sie Arbeiten im konkreten Sein des Betons. Mit Abformungen von bestehenden Oberflächen und groben „Nachbearbeitungen“, die den Beton anschneiden, abschlagen oder spalten, gerne auch in Materialkombinationen mit Stahl.
Inzwischen scheint aber auch in der Kunst ein Neu-Denken einzuziehen. Während die Bronze als klassisches Bildhauermaterial untertaucht, zeigt sich in Galerien und zuletzt auf der Art Cologne 2023 der Beton indes wieder. Ganz sicher kein Massenphänomen, aber mit dem Verständnis für experimentelle Oberflächen und in Materialkombinationen. Es tut sich was.

    „Sonn-Wende“, zweifarbiges Betongewölk, poliert, Eichenholz-Scheite; anlässlich eines alpenländischen Brauchs,
zur Sonnwendfeier brennende Sonnenräder den Berg hinabzurollen

BETON-EN

Noch vor der eigentlichen Formgebung gibt uns der Beton als Kunststein die seltene Gelegenheit – im Gegensatz zu allen klassischen Bildhauermaterialien -, bereits das Ausgangsmaterial selbst zu gestalten. Seine Farbigkeiten zu beeinflussen und mögliche Nachbearbeitungsmethoden mitzudenken erweitert das Gestaltungspotenzial erheblich. Im Prinzip ähnlich wie beim Kochen, oder besser noch, wie beim Kuchenbacken sind es nur wenige Einzelkomponenten, die in Abwandlung von Zusammenstellung und Mengen dann zum mehr oder weniger stimmigen Endergebnis führen. Klar, dass man auch hier einige Grundregeln beherrschen und Abhängigkeiten beachten muss…

         
„Beton-Theorie“, Leichtbeton, zweibändige Eisenbeton-Theorie (1907), „Marmorkuchen“, zweifarbiger Beton, Zuschlag u.a. Marmorkies

Beim Beton sind es lediglich drei Grundkomponenten, die das Zusammenspiel bestimmen: Zuschlag, Zement und Wasser. Im sogenannten Normalbeton besteht der Zuschlag aus Kies, oder aus Splitt sowie Sand, die in bestimmten Mengenanteilen und Korngrößen maßgeblich die Festigkeit des Betons bestimmen. Der Zement, den es wiederum in unterschiedlichen Güteklassen und Farbvarianten gibt, füllt die Zwischenräume zwischen den Körnern der Zuschläge und macht, im Zusammenspiel mit dem Wasser im richtigen Mengenverhältnis, dass der Beton abbindet und der „Kuchen“ fest wird. Die heutige Betontechnologie stellt dann noch einige Zusatzstoffe bereit, die etwa Fließfähigkeit und Abbindeverhalten beeinflussen. Auch zementverträgliche Pigmente können der Mischung beigegeben werden, um die Farbigkeit – neben Zementfarbe, farbigen Sanden und Kiesen -weiter zu beeinflussen.
Jenseits der heute im Baumarkt und im Bastelladen erhältlichen Fertigmischungen, die genau genommen noch keinen Beton, sondern lediglich Zementmörtel ergeben, wird das Spektrum für die Kunst insbesondere über die Vielfalt der Zuschläge eröffnet. Wenn es nicht um die Statik, etwa bei Skulptur im öffentlichen Raum geht, dann sind der künstlerischen Phantasie hier – wie beim Backen jenseits der Fertigmischung – kaum Grenzen gesetzt.
Und was bereits die Römer zu nutzen wussten, der Beton nimmt praktisch jede Form an. Man muss ihm nur ein Negativ bieten, dessen Leere er dann ausfüllt. Das Denken in Negativen wird zum Positiv. Das klassische Material für diese Schalung im Betonbau ist das Holz, von einzelnen Brettern bis zu großen Schalwänden im Stahlrahmen. Nachteil, der Formenkanon beschränkt sich dann zumeist – wie im Hausbau zu sehen – auf zumeist rechtwinklige, gerade Körper. Die freie Formbarkeit des Materials bedeutet im Gießverfahren vor allem zweierlei, einen oft durchaus komplexen Formenbau, sobald der rechte Winkel verlassen werden soll und die Tatsache, dass das fertige Werkstück auch exakt die Oberfläche des Schalmaterials wiedergibt. Letzteres eröffnet für die künstlerische Arbeit wieder ein riesiges Reservoir.

     
„o.T“, Normalbeton, Präsentationskörper aus Glas; Negativ-Volumen einer Grabvase;
„o.T. (ceci n’est pas une bouteille“),
Weißbeton, Draht; Negativ-Volumen einer Glasflasche, mit Unebenheiten der Glasinnenseite; „il passo attraverso la porta / Dantes Übergang“, Beton, partiell blattvergoldet

DAS POETISCHE DES BETONS FINDEN

Poesie ist nur aus dem Un-Poetischen machbar, wie ein Literat einmal feststellte, was mich an die von den Surrealisten geschätzte „Schönheit der zufälligen Begegnung einer Nähmaschine mit einem Regenschirm auf einem Seziertisch“ erinnert (Lautréamont, 1874).
Das Material an sich ist natürlich zunächst wertfrei – es kommt darauf an, was wir draus machen, wie ein Werbeslogan der Betonindustrie so richtig wie lapidar feststellte.
Mit der oben aufgeführten Auswahl dessen, was wir inhaltlich mit Beton verbinden ist allerdings dann doch eine Ikonographie des Betons vorzeichnet. Und die ist da beim Beton reichlich prosaisch, eben doch sehr un-poetisch. Beste Voraussetzung also für Poesie.

  „Tanzende Seerosen“, Beton eingefärbt, teilpigmentiert; „versteinerte“ Baumscheiben, Bambus, Kies

Und so wird das Material auch immer mit den eigenen, immer subjektiven Wahrnehmungen, mit dem eigenen Wissen, den Erinnerungen und Empfindungen rund um den Beton verbunden sein. Die subjektive Wahrnehmung dieses Materials bestimmt so einerseits die Rezeption des Betrachters, andererseits wird die subjektive Wahrnehmung des Künstlers wesentlicher Teil des kreativen Schaffensprozesses. Der Bedeutungskanon, den das Material Beton hier selbst mitbringt erweist sich als inhaltliche Facette, die bei der künstlerischen Intention mitschwingt und so Teil der Poesie wird.
Das Spiel mit den Gegensätzen von hart und weich, von unzerstörbar und verwundbar wird Teil der Begegnung zwischen Material und Form. Der Abguss des eigenen Körpers ermöglicht dann nicht nur den Perspektivwechsel, sich selbst von Außen wahrzunehmen, sondern führt mich auch zur Beobachtung der Veränderung des eigenen Ichs, inkl. der persönlichen Werteskala, etwa zum „Baum der Erkenntnis“.

„Baum der Erkenntnis“, unterschiedliche Betone, zwölfteilig, teilweise blattvergoldet, japan. Ahorn

Der Beton ist ein narratives Material, das uns viel zu erzählen hat. Wer hat nicht schon mal die Spur einer Katze gesehen, die diese im frischen Estrich hinterlassen hat. Ähnlich dem Prinzip der Versteinerung speichert Beton Erinnerung. Auch wird er zum Material der Übertragung von „Gefühlen“, etwa denen, die ich mit einem Kriegsschiff verbinde. Auch kann ich nicht an einem Krieger-Ehrenmal vorbeigehen, ohne die Ideologie abzulesen, die dahintersteht. Oder an den Beton zu denken, den ich in vielen Bunkern, unterirdischen Rüstungsfabriken oder als Panzersperren an der Maginot-Linie gesehen habe (vgl. Blog-Eintrag „Die Eier des Adlers“).

  „Fregatte“, Betonmontage, Streckmetall  „Nachmittag a. Meer/Maremma“

Ganz sicher ist Beton kein spontanes, kein direktes Medium. Eine unmittelbare Übertragung von Emotion, wie etwa bei der Farbe in der Malerei, oder beim Ton in der plastischen Arbeit, ist hier weitgehend ausgeschlossen. Zu kognitiv. Absicht und Plan stehen im Vordergrund.
Und dennoch bleibt das Spielerische des Ausprobierens, von der Zusammensetzung des Materials bis zur experimentellen Form. Manchmal ist es auch nur die Neugier auf das, was wir nicht sehen, was wir nicht wahrnehmen können. Die Räume, die zwischen den Dingen liegen. Beziehungsräume. Das Ausfüllen der Leere beginnt. Das Denken in Negativvolumen wird zum Positiv.
Das Poetische des Betons findet man so in den Materialeigenschaften, in den Narrativen und im eigenen Wahrnehmungspotenzial.
Und natürlich ist es gut, wenn das ein oder andere Geheimnis bleibt, das es zu entdecken gilt.
Beton ist ein Material für die Kunst.

  „Big Secret“, (rund 700 kg) zweifarbiger Leichtbeton, Stahlseile